Metapher auf eine Person, der ein selbstgemachtes Problem auf den Kopf fällt.
Der Hauptfigur fällt ein Würfelauf den Kopf, der bei jedem Beseitigungsversuch wächst, bis letztlich ganz unklar wird, wer wen bewegt. Ein philosophisch-assoziatives Gleichnis auf die realitätsbildende Kraft unserer Wahrnehmung und die Relativität aller Probleme. Vielleicht ja eine künstlerische Paraphrase auf die Heisenbergsche Unschärferelation.
Filmrezension:
Kopfsache – Ja, das ist sie wohl auf jeden Fall, die Tücke des Objekts.
Erst allerdings, als dieser Satz hingeschrieben ist, wird mir seine Doppeldeutigkeit bewusst. Von wegen Fall und Kopf und Tücke. Wer Lennart Langankis Diplomfilm „Kopfsache“ gesehen hat,kann verstehen, was ich meine. Jedenfalls ein bisschen. Wie auch ich.
Ein bisschen mehr oder weniger. Denn gleich werde ich beschreibend auch interpretieren. Doch da bleibt wie selbstverständlich ein Rest, ein Geheimnis, ein Mysterium, auf das jeder allein sich einlassen darf, wenn er denn will, in eigener „Kopfsache“ sozusagen. Es ist ganz deutlich dieser Rest, der Kunst ausmacht.
Doch bevor ich mich daranmache, etwas über meine Sicht auf die Dinge – auf diesen Film – darzulegen, etwas zur „Vorarbeit“ für diese Arbeit, als die der Diplomand den theoretischen schriftlichen Teil seines Diploms ausdrücklich bezeichnet hat. In wunderbarer Entschiedenheit, filmtheoretischer Stringenz und essayistischer Plausibilität entwirft Lennart Langanki in dieser Arbeit ein vielschichtiges Bedeutungsmuster für den sich wandelnden Blick auf die, und den Umgang mit den Dingen im Film.
Dabei reiht er Beispiele von Autoren und deren Werke zur Eskalation einer „Filmgeschichte der Dinge“, in deren Verlauf sich Objekte aus (gedacht) hinterlistigen Widersachern, die menschliche Absichten stören ( bei Buster Keaton), über sich verselbständigende Fabrik-Mechanerien (in Chaplins „modern times“) zu einer menschliche Kommunikation insgesamt zerstörenden Umwelt (in Jaques Tatí´s “Playtime“) entwickeln, um schließlich ( bei Jan Svankmeyer) eine ganz und gar undurchschaubar eigene Welt zu bilden, der menschliche Individuen nur noch hilflos ausgeliefert sind und in ihr untergehen. Es sind berühmte, gut gewählte Beispiele, die einen kulturgeschichtlichen Wandel in der Wahrnehmung vor allem der europäischen und amerikanischen Industrie- und postindustriellen Gesellschaften kenntlich machen. Es fällt nicht schwer, sich diese Entwicklung im Verschwinden der menschlichen und dinglichen Welten allesamt im monitorlichtdurchfluteten Cyberspace fortzudenken.
Parallel zu dieser – wenn man so sagen darf – „Wahrnehmungsgeschichte der Dinge im Film“ zeigt diese Arbeit eine „Reflexionsgeschichte der Dinge im Film“ durch die Filmtheorie von Arnheim über Balasz und Eisenstein zu Maddock und Monaco. Sie ist mit reflektiertem Hintergrundwissen und umfassendem Verständnis, vor allem aber auch ausgesprochen lesbar verfasst. Sichtbar macht der Diplomand darin vor allem Zweierlei:
Erstens wird seit den Anfängen des Nachdenkens über Film das Subjektwerden der Dinge und die Objektivierung der Subjekte als eine ganz wesentliche Konstituante des originär filmischen Ausdrucks erkannt. Zweitens hat dieser Blick auf die Dinge sowohl in den Filmen selbst, als auch in der Reflexion darüber zwar seinen Ursprung in einer animistischen Weltanschauung, reagiert aber ganz unmittelbar seit Vischers „Entdeckung der `Tücke des Objektes´“ zu Beginn der Industrieproduktion auf die Gegebenheiten der industriellen Gesellschaft und ihrer kapitalistischen Wirklichkeit.
Kritisch und – das vor allem: mit Humor. Heiter und witzig, auch höhnisch; bissig bis ätzend; schwarz und zuweilen beängstigend. Ja ja, es geht um Humor, aber auch um nichts Geringeres als um das Verhältnis der Menschen zur Welt, in der sie leben, und die sie zunehmend selbst erschaffen. Fast wie Gott. Als Beleber (Damit sind jetzt nicht die Animatoren am Strand von Mallorca gemeint). Als Animator im Sinne des Belebers, aber auch des Anregers versteht sich Lennart Langanki mit seinem Diplomfilm „Kopfsache“. Wobei es da vor allem auch um Handarbeit geht. Stop Motion, das ist die Technik des Zeichentrickfilms, in der es immer auch um die Anmutung des Handgemachten geht, um die Ästhetik der Lebendigkeit des Ungeglätteten.
Sie erfordert zeichnerische Individualität und Qualität, aber auch die Beherrschung verschiedener filmspezifischer Techniken, wie die plausibel reduzierte Umsetzung von Bewegungsabläufen. Man braucht außer den zeichnerischen auch Erzähltechniken, wie den zugleich ökonomischen und ästhetischen Umgang mit Blickwinkeln, Einstellungsgrößen und narrativen Montagestrukturen und - last but not least eine Idee, eine Geschichte, eine Frage; eine Botschaft vielleicht.
Selbstverständlich muss man seine theoretische Diplomarbeit nicht gelesen haben, um Zugang zu dieser Erzählung eines großen Rätsels zu bekommen. Um eine Kopfsache im Doppelten Sinne, als es doch zuerst der Kopf ist, auf den ein Ding da fällt, das sich als Würfel erweist, der, je länger man sich mit ihm beschäftigt, aus dem Nichts gekommen ins schier unendlich Überdimensionale wächst, bis das Objekt sich selbst in ein Subjekt, und das Subjekt sich in ein Objekt zu verwandeln scheint.
Zwar kann man in dem Film auch eine Visualisierung der Grundthese der Theoriearbeit sehen, doch funktioniert er ganz und gar auch ohne sie. Das Rätsel, die intellektuelle und sinnliche Anregung entstehen aus der Ästhetik des Erzählens selbst, aus den Interpretationsmöglichkeiten der dargestellten Vorgänge und deren visueller und akustischer Anmutung. Er endet mit einer Pointe, die den Zuschauer nicht mit einem Aha-Effekt befreit, sondern ihn verunsichert. Seine Wahrnehmung in Frage stellt und in einer Art Ringbau wieder auf den Anfang des Filmes verweist – auf den Titel „Kopfsache“.
Auch in diesem Film geht es um die „Tücke des Objektes“ – deren Wahrnehmung als Eigenschaft unbelebter Materie eben „Kopfsache“ ist. Aber so unbelebt ist die Materie, wie sich dem Zuschauer am Ende zeigt, ja gar nicht. Ist diese Wahrnehmung nun „Kopfsache“ des Protagonisten oder die des Zuschauers? Die Frage bleibt offen und gibt uns Anlass zu allerlei Interpretation und Reflexion – wenn wir denn wollen. Aber auch als skurriles kleines Kabinettstück können wir diesen Film goutieren.
Ich sehe hier den zweiten Streich der Arbeit an einem großen Thema, dem das Talent von Lennard Langanki Diplomanden noch einige hinzufügen könnte. Denn natürlich handelte auch sein erster Film über die „unglaubliche Leichtigkeit des Heinz“ von der Beziehung zwischen Menschen und Dingen. Die Verwandlung verschiedener Objekte wie Arbeitstasche, Hantel und Dackel lässt die mit ihnen verbundenen Menschen zwar den Boden unter den Füßen verlieren, gibt ihnen aber auch Auftrieb und öffnet neue Horizonte. Jochen Wisotzki