Die Diplomandin hat in einer umfänglichen zeichnerischen Voruntersuchung nach einer angemessenen Bildsprache gesucht – der Pinguin schien ihr das geeignete Tier, das einen gewissen Abstraktionsgrad zuließ. Ihm konnte die Illustratorin Eigenschaften und Zustände zuordnen, ohne in die übliche Niedlichkeit einschlägiger Figuren verfallen zu müssen. Wie der Mensch ist er ein soziales Wesen und seine signethafte Gestalt konnte so geformt werden, dass mit wenigen Mitteln ein Ausdruck in die Figur gelegt und eine Geschichte überzeugend erzählt werden kann.
Sie entschied sich für die Aquarell-Technik. Überzeugendes Motiv sind die weiten Landschaftspanoramen, die die Kolonien von Pinguinen beherbergen und die Gemütszustände aufbewahren. Sie beginnen schon auf dem Cover, führen weiter über den Vorsatz auf den Innentitel zur ersten Scholle mit dem ersten einsamen Pinguin und weiter über die fast leeren Zwischenseiten mit wenigen Textzeilen. Soviel zartes Blau, Grau, Schneeflocken, Schneegestöber, Frost, Nebel. Dann Abendstimmung, aufgeklarter Himmel, Dunkelheit und Sternenhimmel, Polarlicht und Sonnenuntergang. Die Farbwechsel des Himmels markieren Ruhe, Freude, dann aber auch Bedrohlichkeit und beginnende seelische Krisen. Durch die klugen Kompositionen entstehen auch Gegenüber, auf die sich die eine oder andere Geste bezieht und hilft, Deutlichkeit in die Figur zu bekommen. Schuld und Scham z.B. existieren hier gemeinsam, wie im Leben. Die Pinguine leben in dem Buch und tragen einen symbolhaften, metaphorischen Charakter. Sie bildet nicht nur ab und erzählt Abläufe, sie kann verschlüsseln und damit Bedeutung geben.
Claudia Rudat hat starke Bilder geschaffen: Der Pinguin starrt in das kalte Spiegelbild und erlebt so die Konfrontation mit dem Selbst, denn Körper und Seele melden sich durch Schmerz und Leid lautstark zu Wort, »verweisen darauf, dass wir uns nicht länger ignorieren können und zwingen uns somit in die Auseinandersetzung mit der eigenen Person.«
Humor kann aus Sicht der Diplomandin eine Bewältigungsstrategie sein. Und so muss man schmunzeln, wenn der Pinguin Angst vor dem kalten Wasser hat, als er seinen Zeh ins Eisloch taucht. Man ist ergriffen von diesen Szenarien, leidet mit den Tieren, die sich so gut für diese Geschichten eignen – sie handeln und empfinden hier so, dass es glaubhaft wird.
Claudia Rudat schafft es, die Ambivalenz der Gefühle, dieses ganze Gemisch von Freude und Trübsal, aber auch atemberaubende Natur überzeugend zu zeigen und sie findet einfache feinfühlige Worte.