Stop-Motion-Animierte Umsetzung eines ebenfalls im Rahmen des Diploms entwickelten und realisierten Kinderbuch-Leporellos: Einem kleinen Jungen begegnen die Nachbarn des täglichen Lebens im Traum skurril verändert.
Filmrezension
Andrea Pinnow geht es in diesen Arbeiten Diplom darum, an die Lebens- und Erfahrungswelt von Kindern anzuknüpfen und Phantasie anzuregen – mit einer eigenen Geschichte, erzählt in Wort und Bild, aufbereitet für die Medien Kinderbuch und Film.
Sie hat die Geschichte, die sie erzählt, selbst entwickelt. Diese ist nicht dramatisch, aber es ist eine richtige Geschichte: Es gibt einen Anfang und ein Ende, und am Ende ist für den Hauptprotagonisten etwas anders als am Anfang. Für den Leser, Betrachter und Zuhörer auch. Er war Zeuge einer Reihung unerhörter Begebenheiten, in denen sich ein breites Spektrum eher unauffällig normaler Hausbewohner in die Tiefen ihrer Seelen und Herzen blicken ließ. Gewaltige Taten wurden vollbracht, Sehnsüchte erfüllt und die gewohnte Ordnung der Dinge und Beziehungen außer Kraft gesetzt.
Das ist immer wieder wert, erzählt zu werden. Sei es nun in Gestalt von Lügenmärchen, wie man sie schon im Mittelalter liebte, als literarische „Geschichten aus der verkehrten Welt“ oder hochartifiziellen Surrealismus a la Louis Bunuel im „Andalusischen Hund“. Keiner ist empfänglicher für die anarchische Aufhebung von sozialen und physikalischen Ordnungen als Kinder. Und keiner hat solche Träume nötiger – Utopien.
Für ihre Überlegungen zur Gestaltung hat die Autorin auf einen ganz speziellen Aspekt ihrer eigenen Erfahrungen zurückgegriffen: Auf Kinderbücher, die sie in ihrer Kindheit selbst beeindruckt haben. Entwicklung und Produktion beider Medien, von Buch und Film, stehen in engem Zusammenhang. Der Film ist eben nicht nur eine gelungene Adaption des Buches. Die Diplomandin hatte dramaturgische, technische und künstlerische Besonderheiten der unterschiedlichen Medien von vornherein im Auge – und bringt sie in der konkreten Umsetzung vorteilhaft zur Geltung. So hatte beispielsweise die Technik der Arbeit mit festen Hintergründen und beweglichen Detail am Film-Tricktisch und am Rechner Auswirkungen auf die Gestaltung der Zeichnungen des Buches. Und dem Film gibt sie, was des Filmes ist: Schwenks, Zoomfahrten, Hervorhebung von Details durch unterschiedliche Einstellungsgrößen, die szenische Auflösung durch das Prinzip Schuss-Gegenschuss, dazu allerlei akustische Ereignisse über den Text hinaus. All das macht aus dem Ganzen eben mehr als die Teilanimation eines Bildes in starrem Rahmen.
Einen heiteren, flüssig animierten Trickfilm, der nicht die visuelle Anmutung eines fotografierten Filmes nachahmt, sondern spielerisch auf seine Herkunft aus der Illustration eines Textes verweist. Und darin sowohl künstlerisch als auch wirtschaftlich effizient ist.
Dass diese Arbeit in ihrer Buchgestalt als Leporello angelegt ist, lässt neben den triftigen Gründen der Autorin und Illustratorin auch das Herz des Filmemachers höher hüpfen. Denn in den Tiefen der Entwicklung des Mediums gehört das Leporello ohnehin zu den Vorfahren des Films. Und ist nicht das fortlaufende Textband in Andrea Pinnows Gestaltung ohnehin so was wie eine Tonspur?! Und veranschaulicht das Leporello in dieser Gestaltung nicht auch auf überzeugende Weise das Prinzip von horizontaler und vertikaler (fortlaufender und übereinandergeschichteter) Montage im Film!? Eine ästhetisch gelungene Verknüpfung zweier Medien und eine gute Vermarktungsidee dazu.
Text: Jochen Wisotzki