Kitschig ist das, was den Inhalt entleert und sich der Hülle bedient. Was übrig bleibt, ist die reine Oberfläche ohne Verständnis für das Dargestellte. Seit Homer um 800 v.u.Z. Jahrhunderte von mündlicher Tradition erstmals schriftlich festgehalten hat, bedienen wir uns der Mythen. Mythologische Figuren werden ihrem religiösen Hintergrund enthoben, umbenannt und rein oberflächlich wiedergegeben. Die Sirenen werden von Rilke verstummt und Aphrodite ist zur Femme fatale namens Carmen geworden. Die Liebe wurde von einer göttlichen Kraft kosmischer Bedeutung zu rosarotem Kommerz. Wenn wir diese Figuren ihrer Bedeutung berauben, sie immer nur weiter perpetuieren und uns an ihrem Schein ergötzen, dann ist das Kitsch. Man muss sich fragen, ob man das übrig gebliebene Rollenbild stolz am Körper tragen will.
Daphne_ Die Form des Unbefleckten Herzens Mariä war die Grundlage für den Entwurf. Anstelle des Herzens befindet sich jedoch in der Mitte des Heiligenscheins eine überdimensionale Darstellung eines Jungfernhäutchens. Das Häutchen ist als eine Reliquie der Daphne zu verstehen. Die goldene Farbe des Scheins hebt das Hautstück besonders hervor und zieht den Blick auf sich. Der Entwurf kann aber auch als eine (Jagd-)Trophäe verstanden werden. Das erbeutete Jungfernhäutchen kann am Körper getragen werden.
Danaë_Die Darstellung von Zeus als Geldregen und die konsequente Prostitution Danaës ist für den Entwurf besonders wichtig. Denn auch hier werden wieder auf kitschige Weise zwei Sprachen gesprochen. Die unbefleckte Empfängnis wird in der Darstellung von der bezahlten und geldgierigen Frau getrennt. Die nackte, aktiv am Geschlechtsakt beteiligte Frau soll dennoch weiterhin als Maria wahrgenommen werden. Das Ergebnis ist ein Rosenkranz aus falschen Münzen.
Sirenen_ Auf den Perlmuttscheiben ist das Gedicht „Die Insel der Sirenen“ (1907) von Rainer Maria Rilke eingraviert. Durch die Dopplung und Überlagerung der einzelnen Scheiben soll das Gedicht erst auf den zweiten Blick lesbar werden. So wie die Stimmen der Sirenen im Laufe der Zeit verstummt sind und sie sich auf eine oberflächliche Darstellung reduziert haben.
Medusa_ Das "giftige" Blut der Frau bildet die Grundlage für Medusa. Der Entwurf ist von Stigmata inspiriert. Doch statt des heiligen Blutes Jesu ist es giftiges Blut, das ein Loch in das Laken ätzt. Gleich einem Reliquiar soll es in Gold eingefasst und präsentiert werden. So wie Reliquiare durch ihre opulente Gestaltung den Blick auf sich ziehen, so soll es auch die Blutbrosche tun. Gleichzeitig wird die Brosche durch das Tragen zur eigenen Wunde, aus der das giftige Blut hervorquillt. Das weiche, wattierte Textil lässt weitere Verletzung zu und schützt nicht.
Aphrodite_ Sie ist schon allein durch die Umstände ihrer Geburt mit der Sexualität verbunden. Als Kronos seinem Vater Uranos bei der Vereinigung mit Gaia das Glied abschlug, warf er es ins Meer und Aphrodite Urania war geboren. Ihre Kraft und ihre Schönheit sind so überwältigend, dass selbst die Götter ihr voller Sehnsucht erliegen. Sie wird mit dem hässlichsten aller Götter, Hephaistos, vermählt. Diesen betrügt sie mit Ares. Beide werden mitten im Akt von Hephaistos entdeckt, in einem Netz gefangen und der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Sexualität der Frau soll also in ein unlösbares hephaistisches Netz gezwängt und zur Abschreckung der anderen zur Schau gestellt werden. Diese „künstlichen Bande“ bilden die Grundlage für den Entwurf der Aphrodite. Die schwarze Keramik verleiht dem Entwurf eine gewisse Schwere und suggeriert gleichzeitig eine Verderbtheit. Hinzu kommt ein eingravierter Text aus dem Gebet der Sappho an Aphrodite. Die dunkle Farbe der Keramik lässt das Netz und den Text verschwinden, in Anlehnung an die feine Arbeit des Hephaistos, die ebenfalls mit bloßem Auge nicht zu erkennen war.
Christina Quandt