Mit einem Lastwagenkonvoi voller Hilfsgüter bricht ein pensionierter Tierarzt aus Brandenburg auf nach Weißrussland, um Hilfsbedürftige zu unterstützen. Eine dokumentarische Reportage.
Filmrezension
Der Film wendet sich einem Thema zu, das sozusagen periodisch immer wieder in den Medien erscheint. Immer dann, wenn eine Naturkatastrophe es wieder auf die Seite eins der Zeitungen schafft oder in die ersten fünf Minuten der Abendschau. Oder wenn es einen Skandal um Missbrauch gibt, wie in den vergangenen Wochen um das Kinderhilfswerk der UNESCO.
Es geht um zwischenmenschliche Solidarität, humanitäre Hilfe, Barmherzigkeit, Teilen, Abgeben, um DAS HELFEN, wie der Autor in einer Widmung sein Anliegen in einen ethischen Zusammenhang stellt. Doch während dieser Prozess in den Nachrichten und Berichten fast immer einen Aufrufs- oder Abrechnungscharakter hat, interessiert sich Martin Erdmann in seinem Film für den konkreten Vorgang selbst, für das individuelle Erleben eines Protagonisten, der für sich das praktische Helfen zu einer Lebensaufgabe gemacht hat.
Und – das ist in dieser Konsequenz außergewöhnlich – er lässt uns teilhaben an diesem Erleben. Das kann so nur das Medium Film, und Martin Erdmann gelingt es, dessen Möglichkeiten so zu nutzen, dass aus der scheinbaren Haltung des reinen Beobachtens, des Dokumentierens, eine außergewöhnlich reflexive Arbeit entsteht.
Reflexiv, obwohl der Film ganz in der Tradition des Cinema reél auf off-Ton und andere Formen der verbalen Kommentierung verzichtet, umso mehr aber durch die Auswahl des Beobachteten, durch Kamerahaltung und Montage Empfindungen und Denkprozesse beim Zuschauer in Gang setzt. Wer sich auf diesen Film einlässt, kann in einem Wechselbad der Gefühle zwischen innerer Gerührtheit und emotionaler Distanzierung, vielleicht sogar Scham hin und hergeworfen werden. Wenn es zutrifft, ist es mit das Beste, was überhaupt über einen Film gesagt werden kann. Der Film bleibt nicht in dieser Wirkung stehen. Es ist ein emotionaler Aufruf auch zur Reflexion, zum Nachdenken, reden, diskutieren über das Helfen über Aspekte des Erhebenden und der Erniedrigung.
Neben der formalen Gestaltung des Filmes als Reportage ist er auch ein Porträt.
Er gibt uns Einblick in das Wesen eines Menschen, der mit ungeheurer Energie tätige Hilfe übt aus einem autobiografischen Impuls und überzeugender Religiosität zugleich. Wir sehen ihm zu beim Helfen. Wir erleben Warmherzigkeit, Aufrichtigkeit und Spontaneität. Das Überspringen eines göttlichen Funkens. Und wir erleben die Gefahr der Sinnentleerung von Gesten durch die Wiederholung, Routine.
Das ist das Emotionale. Wir verstehen aber auch das Faktische, die Notwendigkeit des Materiellen. Helfen als Güterverkehr. Das ist konsequent und widersprüchlich. Auf den Punkt kommt diese Dramaturgie in der letzten Szene, in der der formale Akt des Helfens fast den Eindruck von Aggressivität evoziert. Doch dann wird der Tafel Milka-Schokolade – nein, ein Ball noch dazu – ein selbstgebackener Kuchen entgegengesetzt.
Und mit allem versöhnt uns die Umarmung des Helfers und der „Geholfenen“. Wie diese Frau einen Moment davor schelmisch in die Kamera schaut, das ist einer der schönsten Augenblicke, die ich in einem Dokumentarfilm erlebt habe. Der Regisseur kann damit umgehen und stellt mit einer einzigen Einstellung – dem Denkmal der trauernden Mutter auf dem Soldatenfriedhof am Rande des Rückwegs alles bisher Gesehene in einen historischen Kontext. Das sind Momente, die uns das Wesen der Tätigkeit des Dr. Wedel zeigen, ohne ihn vorzuführenden. Das sind Bilder und Montagen, die Kinokraft haben.
Es gibt in diesem Film manchmal technische Mängel in Ton- und Bildgestaltung. Die machen auch Profis. Und die werden dann von professionellen Schnittmeisterinnen kaschiert. Doch – das sei hier betont -– sowohl in Hinsicht auf die Dramaturgie, als auch auf die technische Umsetzung ist es ein gelungener Film.
Text: Jochen Wisotzki